Wenn Sterne lügen – Bewertungen anderer sind kein Maßstab. Insbesondere, wenn es falsche Anreize für gute Noten gibt. Konkret durchexerziert an einem Headset, das preiswert sein sollte.
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Für mich definiere ich seither ein »Top-Handy« über sein Preis-Leistungsverhältnis. Seit rund zwei Jahren ist das ein Xiaomi Mi A2, dass mich damals neu deutlich weniger gekostet hat, als es aktuell nur noch gebraucht gekauft werden kann – was meine damalige Einschätzung indirekt bestätigt. Das ist mir schon einige Male abgeschmiert, doch Bücken zum Aufheben lohnt sich: Kein Glasbruch, kein Kratzer, und es kann das, was es (für mich) können muss.
Unter diesem Blickwinkel stand die Anschaffung eines Headsets an. Mir widerstrebte der Erwerb eines fast ebenso teuren Zubehör-Teils für ein „unter 200 € Telefon“. Ungeplant wurde dass ein „Minitest“ mit vier Kandidaten aus dem „low budget“ Bereich. Mein Eindruck bei den getesteten Bluetooth-Headsets drängte mir auf, dass bei dieser Technologie „mehr Geld“ womöglich doch ein relevanter Parameter ist. Zumindest, wenn es einen Minimalanspruch an die Qualität von „hören und gehört werden“ gibt.
Die Annahme, dass Sachwarmintelligenz in Form von Amazon-Bewertungen bei der Suche hilfreich sein könnte, erwies sich für mich als grob falsch.
Das GPEESTRAC Bluetooth-Headset hat zwar (aktuell) über 2.500 Bewertungen und erreicht damit „vier Sterne“. Beim Auspacken fiel mir ein Gutschein entgegen, mit dem ich — in Kombination mit einer guten Bewertung — ein weiteres Headset „gewinne“. So geht das also1 mit den guten Noten, wenn du mit dem Teil trotz ruhiger Umgebung für den Gesprächspartner kaum zu verstehen bist.
Welchen Nutzen haben zwei Headsets, mit denen mich niemand versteht? Davon ist schon eins zu viel. Deshalb hatte ich postwendend keins mehr davon.
Das „Bluetooth Headset 5.0, aptX HD 16 Hrs Talk Wasserdicht Wireless Headset“ wurde (aktuell) von über 7.000 Nutzern als „toll“ bewertet. Was zumindest für die Musikwiedergabe auf einem Ohr zutrifft. Doch eine zugesicherte IPX7-Qualität (Spritzwasserschutz) bei offener Ladebuchse fand ich ebenso unbefriedigend wie eine Rauschunterdrückung, die meine Sprache bis zur Unverständlichkeit komprimiert. Immerhin laut vernehmlich unbrauchbar.
Nach einigen (technischen) Recherchen bestätigte sich meine bereits geäußerte Vermutung: Ein (nach meinen Kriterien) brauchbares Bluetooth-Headset erfordert aktuell noch einen dreistelligen Geldeinsatz. Doch 200€ teure Kleinteile gehen genauso leicht verloren, wie welche für 20 €.
Außerdem gibt es – unabhängig von der Preisklasse – eine integrierte Halbwertszeit bei diesem Zubehör:
- Mir ist kein Bluetooth-Headset bekannt, bei dem ohne Trickserei ein erschöpfter Akku gewechselt werden kann.
- Ein (eigentlich) hochwertiges Jabra-Bluetooth-Headset liegt hier nutzlos herum, das die Kommunikation mit dem Mi A2 verweigert. Offenbar ist das Jabra-Bluetooth „zu alt“.
Als subversive Idee habe ich deshalb ein „Kabel-Headset“ bestellt.
Wieder getrieben von (aktuell) fast 2.000 „Begeisterten“. Das „PC Headset mit Mikrofon New Bee USB/3,5mm Business Headset Noise Cancelling“ wurde darüber hinaus recht gut bei „techstage“ bewertet. Doch widerspricht die Einschätzung, die »Polsterung am Kopfbügel ist ebenfalls ausgezeichnet« meiner persönlichen. Den Tragekomfort bewerte ich persönlich als mäßig. Dazu noch der tatsächlich blecherne Lautsprecher-Klang und ein Detail, das gern übersehen wird:
Das Mikrofon dieses Headsets muss links getragen werden. Es ist an der linken Hörmuschel fix nach vorn schräg nach unten ausgerichtet. Es lässt sich zwar wegbiegen, doch es bleibt trotzdem immer im Gesichtsfeld.
Für einen linkshändigen Kaffee-Trinker ist das ein echtes k.o.-Kriterium. Zusätzlich hat mich geärgert, dass in den Produktabbildungen wiederholt das erforderliche USB-C Adapter zwar abgebildet ist, aber zumindest in meiner Kiste gefehlt hat, was der Teileliste der Anleitung entsprach.
Etwas genervt wollte ich ein Adapter nachkaufen, damit der Einsatz des Headsets am Telefon möglich wird. Dabei schlug Amazon einen weiteren Headset-Kandidaten in der Liste für USB-C-Adapter vor – eine mich zunehmend nervende Entwertung der Suchergebnisse durch den Versand-Riesen. Warum er das macht ist klar – es hat funktioniert2:
Ein „USB Headset mit Mikrofon, PC Headset mit Mikrofon Noise-Cancelling“ weckte mein Interesse. Zu diesem Zeitpunkt 7 Bewertungen, nur auf Englisch, fast fünf Sterne. Zwar läutete bei mir die „Fake-Glocke“, doch „was zurückschicken müssen“ ist ein nötigender Anlass, mal aus dem Haus zu gehen.
Trigger war – s.o. – der Hinweis auf das um 270° schwenkbare Mikrofon, womit das Headset sowohl für links- als auch rechtshändige Kaffeetrinker taugt. Damit lässt sich der Kopfhörer „verkehrt herum“ aufsetzen, das Kabel also wahlweise links oder rechts wegführen, was die Verkabelung entzerren kann.
Dazu noch das bereits im Warenkorb liegende USB C zu USB Adapter. Das bekam den Zuschlag ebenfalls aufgrund eines Details: Bei kompakteren Adaptern monierten Nutzer, dass sie zu groß für die USB-C-Aussparung in der Hülle sind.
Hossa!
Im Vergleich mit den drei Vorgängern war die Verpackung minimalistisch: Ein dünner Karton, Plaste-Tüte, fertig. Doch die deutlich edleren der bis hierhin technisch gescheiterten Mitbewerber würden, wäre es zur dauerhaften Verwendung gekommen, genauso im Müll landen. Augenscheinlich hat der Hersteller „Earbay“ mehr Aufwand in das Produkt als in die Verpackung gesteckt: Ein überraschend rauschfreies Mikrofon mit toller Sprachqualität, ein unerwartet hochwertiger Klang der Ohrhörer. Sowohl am PC, als auch an den Telefonen – die „Adapter-Orgie“ ermöglicht die Nutzung am DECT-Telefon (Fritz!Fon), am Mobiltelefon, am PC.
Musik klingt „sehr ordentlich“, mit unerwarteten Bässen, wenn auch „etwas knapp“ in den Höhen. Die Ohrmuscheln sind relativ „dicht“ gegenüber Außengeräuschen – also keine gute Idee im Auto oder auf dem Rad. Das Mikrofon hat ein kaum vernehmliches Rauschen und ist resistent gegen Umgebungsgeräusche: Auf meinem Schreibtisch steht – ca. 80 cm entfernt - eine Sonos, aus der gut vernehmliches Radioprogramm dudelt. Das ist nahezu weg.
An meinem Desktop-Arbeitsplatz gibt es lediglich einen noch zu ermittelnden Störsender, der ein Netzbrummen bei (an der Bedienung) eingeschaltetem Mikrofon erzeugt. Das deutet auf eine sparsame Abschirmung hin. Ein USB-C-Tischmikrofon kommt damit zurecht, was den rund 10-fachen Preis dafür in gewisser Weise rechtfertigt. Im geplanten Gebrauch (Telefonie, Konferenzen) wird das unauffällig sein. Da es (fern vom Desktop) weder am Laptop noch am Telefon auftritt und mit zurücktreten vom Tisch nachlässt, gibt es einen Fremdverursacher, was ich dem Headset zugutehalte.
Der Preis (aktuell 22 €) und die dafür gebotene Arbeitsleistung – um die es letztendlich geht – relativiert die leicht fragile „Vollplaste“-Anmutung. Die Ohrmuscheln haben eine ordentliche Polsterung mit Kunstleder-Überzug, können also abgewischt werden, was bei einem Schaumstoff-Teil, dass den in der Tasche geplatzten Jogurt gedippt hat, deutlich komplizierter ist.
Der Kopfhörer sitzt stramm auf meinen Ohren, die an einem „dicken Kopf“ hängen, was ihn – für mich – als „Ganztags-Accessoire“ ausschließt. Auf einem kleineren Kopf wird er (mutmaßlich) angenehmer passen. Ob es hilft, ist unklar, behelfsweise klemmt das Teil aktuell über einer Monitorbox, zum dehnen.
An der Fernbedienung kann – knackfrei! – das Mikrofon stumm geschaltet werden. Das „NewBee“ war dagegen deutlich mitteilsamer, bei den Bluetooth-Teilen ist dieser Test aufgrund der generellen Unbrauchbarkeit ausgefallen. Physisch anwesenden Mitmenschen zuhören wird durch das Kopfhörer-Muting“ erleichtert.
Die Essenz
- Bloß weil tausende Fliegen drumherum schwirren, schmeckt Scheiße kein bisschen besser.
- Preiswert kann trotzdem gut sein.
- Über den eigenen (Misstrauens-)Schatten springen kann sich lohnen. Insbesondere, wenn das Risiko lediglich darin besteht, etwas zurück schicken zu müssen.
Innerlich hatte ich bereits akzeptiert, dass ich für das Headset tiefer in die Tasche greifen muss. Das hat sich vorerst erledigt.
Natürlich. Das hat Zeit und Nerven gekostet. Doch ich habe aufgrund entsprechender Erfahrungen berechtigte Zweifel, ob das bei „gleich teuer kaufen“ anders gewesen wäre.
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