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Bahnfahrt, Erste Klasse

Erstellt: 20.07.2022 Lesedauer 8 - 9 Min.

Vor ein paar Wochen bin ich mit dem „Flixtrain“ gereist. Jetzt die gleiche Strecke in der 1. Klasse der Bahn „in beide Richtungen“.

Anreise

Der ICE fuhr in Berlin-Gesundbrunnen statt am Hauptbahnhof ab. Was die Anreise signifikant vereinfachte: S-Bahn → Gesundbrunnen, fertig. Der „ICE 695“ war zeitig vor Fahrtantritt am Gleis, daher war genug Zeit bis zum Bahnsteig­ende. Zumindest im Gesundbrunnen ist die 1. Klasse am weitesten von den Zugängen zum Gleis entfernt. Glücklicherweise kein Regen oder langes warten. „Im Erste-Klasse-Abschnitt“ fehlt neben der Überdachung jedwede Sitzgelegenheit. Der Zug war früh da, zum Ausgleich fuhr er spät weg. Später, als er früher gekommen war. Eine Durchsage erklärte das mit „Stau im Hauptbahnhof“.

Was mir Zeit gab, das „first class“-Ambiente zu untersuchen. Krümel und Papierfetzen auf dem Boden, mit rotem Klebeband provisorisch abgeklebte Steckdose, „unbenutzbare Türen“, abgesperrte Sitzbereiche wegen defekter Sitze. Oder auf der Rückfahrt gleich ein ganzes Abteil. Der Staatskonzern zeigte unmissverständlich an: Hier wird „am Limit“ gearbeitet.

Kurz nachdem der Zug endlich anrollte, fragte eine ältere Dame schräg gegenüber ihr Gegenüber, ob sie sich ein Ladegerät für ihr Telefon leihen könne. Sie habe das ihre vergessen. Das ist die Kurzfassung eines wesentlich wortreicheren Monologs. Nach einigem Herumprobieren stellte sich heraus: Aus keiner Steckdose kommt Strom. Im ganzen Abteil. Der Schaffner erklärte, er habe darauf keinen Einfluss. Er hätte stumm auf die an beiden Seiten angeklebten Schriftzüge »Ruhebereich« zeigen können. Doch was Höflichkeit, Informationsbereitschaft, Hilfe und Ehrlichkeit betraf, spielten die Teams der Bahn ganz weit vorne. In allen benutzen vier ICE-Zügen und auf den Bahnhöfen. Erwähnenswert, denn das erinnere ich anders.

Die Abwesenheit von Strom bestätigte mich darin, wie wichtig das Mitführen einer ausgedruckten Fahrkarte ist. Mit platt-gelutschtem Akku ist weder „Comfort-Check in“ mit dem „DB Navigator“ möglich, noch die Anzeige eines digitalen Tickets. Wie der Schaffner das löste ist unklar. Irgendwann piepste sein Scanner und er beruhigte die Dame, die augenscheinlich damit rechnete, gleich würde eine Tür zum Springen für sie geöffnet.

Dank vor Reiseantritt voll geladenem Telefon und Laptop war eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem „DB-Navigator“ dennoch möglich. Die Anmeldung beim Navigator scheiterte an „bad request“ oder „too much requests“ – ergo „kein Login“. Trotz fehlender Anmeldung lieferte er detaillierte Informationen. Vorausgesetzt, ihr Versteck wird gefunden. Grund war das Finden alternativer Anschlüsse in Frankfurt (Süd). Für den Fall der Fälle. Dort abends weiterkommen entpuppte sich als speziell. Zeit dafür war reichlich, wir warteten ständig auf irgendwen oder irgendwas.

An der richtigen Stelle beim Zuglauf geklickt, werden im „Navigator“ die geplanten Ankunftszeiten der harten Realität gegenüber gestellt. Das war nützlich. Es verriet beim ersten Mal draufschauen: Der Anschlusszug verspätet sich weit mehr als der aktuelle, der wird locker erreicht. Da standen wir gerade in Erfurt mit 20 Minuten Verspätung.

Hektisch macht das niemand. Vor uns waren augenscheinlich alle zu spät, überholen keine Option. Bei der Abfahrt wurde auf 19 Minuten verkürzt. Dafür stand beim Anschlusszug nun „Verspätung aus dem Ausland“. Weshalb das erst in Nürnberg auffiel (s. Bilder unten) gehört zu den unerklärten Mysterien dieser Software. Wer mit diesem Zug seinen Flug ab Frankfurt Flughafen erreichen wollte, wurde dezent mit »✗ Halt entfällt« darauf hingewiesen, ebenfalls über Alternativen nachzudenken. Für jene, die das unterließen, gab es vor der Abfahrt in Frankfurt (Süd) mehrere eindringlich Durchsagen.

Wobei es im weiteren Verlauf eine Zeitlang aussah, als ob der Anschlusszug unerreichbar wäre. Er holte kräftig auf, während mein Zubringer weiter zurück fiel. Was der DB-Navigator mittels direkter Anzeige von „Ankunft“ vs. „Abfahrt“ darstellt – wenn die Strecken als „Reiseplan“ gespeichert werden (das unscheinbare Fähnchen oben rechts). Es drohte eine für mich ungünstige Umverteilung der Verspätungen. Eingedenk des Fußmarsches am Gesundbrunnen erschien mir die Suche nach einer funktionierenden Tür nahe der Treppe zum »Gleiswechsel« zweckmäßig. Das verharmlost „raus — runter/rauf? — wohin? — rauf/runter? — rein“. Nach Plan wäre dafür reichlich Zeit gewesen, kurzzeitig hätte es selbst Usain Bolt überfordert.

Auf Nachfrage im Bordrestaurant – es gab ein Geöffnetes mit funktionierender Klima-Anlage – wo am Zielbahnhof der günstigste Ausstieg zum Gleiswechsel sei, tippte der Mitarbeiter kurz auf sein Telefon und meinte: Eigentlich schon die nächste Tür, doch die ist unbrauchbar, also die übernächste, entgegen der Fahrtrichtung. Dessen App hätte ich gern. Oder die Erklärung, was dafür im Navigator angetippt werden muss. Unerwartet meinte er noch: »Ich mache für Sie eine Voranmeldung.« Ab jetzt war der Navigator unnötig. Es gab Durchsagen, die mir zusicherten: Du erreichst deinen Anschluss. Was tatsächlich der Fall war. Der Anschlusszug fiel auf die letzten Kilometer ebenfalls zurück. Mir blieb sogar die Zeit für den Weg zur optimalen Zusteigeposition. Direkt neben meiner Platzreservierung.

Abgesehen vom „Umstiegsrennen“, das mir ob der kruden Ausweichmöglichkeiten „mitten in der Nacht“ etwas zusetzte und trotz der genannten Mängel, war die Reise deutlich entspannter als mit „Flixtrain“. Es macht einen erheblichen Unterschied, wenn die Beine ungehindert ausgestreckt, der Sitz in eine angenehme Position gebracht und der Tisch zum Aufstehen und Hinsetzten teilweise weggeklappt werden können.

Es hätte anders kommen können. Es kam zwar anders als von der Bahn versprochen, doch rund 30 Minuten Verspätung am Zielbahnhof Mainz sind insgesamt betrachtet „in Ordnung“.

Die Rückreise

Die Rückreise erfolgte in der „Hitzewelle-Kulanz-Phase“ der Bahn: Selbst Spar-Tickets konnten statt mit dem gebuchten Zug innerhalb einer Frist beliebig anders genutzt oder sogar bei voller Erstattung zurück gegeben werden. Offenkundig wurde mit Problemen gerechnet, weshalb meinerseits ein großzügiger Puffer vor der Abfahrtzeit in Mainz lag. Zumindest die Regionalbahnen fuhren auf die Minute pünktlich. So konnte spontan – Dank Kulanzregelung – ein Zug eine Stunde früher Richtung Köln genutzt werden. Was den planmäßig sportlichen „Gleiswechsel“ entschärfen und einen „Verspätungs-Gleiswechsel-Puffer“ schaffen sollte. Statt 7 Minuten über eine Stunde. Die Abfahrt des früheren Zuges in Mainz erfolgte planmäßig. Doch schon kurz nach der Abfahrt wurden die Zeiten rot, als der Zug irgendwo im Nirgendwo hielt, das sogar einen Name hat:„Namedy“ (s. Bilder unten). Wegen einer „Weichenstörung“ — was mir aus vergangenen heißen Sommern bekannt vorkam.

Der Anschluss in Köln startet in Bonn. Wenig Platz für Verzögerungen auf der Strecke. Doch die Erfahrung bei der Anreise (s. Abfahrt Gesundbrunnen), sowie das Wissen, dass ab Köln tagsüber im Stundentakt Züge Richtung Berlin fahren, entschärfte das und die Klimaanlage lief. Bei örtlich über 30°C (lt. „windy.com“) beruhigente das. Die Kleinkinder, die vor mir im Gang ihre Türmchen bauten, freuten sich über den stehenden Zug – die gebauten Türme blieben endlich stehen. Bei den Erwachsenen entwickelten sich die ersten kurzen Gespräche quer durch das Abteil: »Es könnte dauern«.

Tat es. Aus dem flüchtig erwogenen „noch einen gepflegten Kaffee auf der Domplatte trinken“ entwickelte sich – laut Navigator – ein strammer „Gleiswechsel“. Laut Restzeit weniger als die Hälfte der bereits engen Zeit des eine Stunde später in Mainz startenden, ursprünglich geplanten Zuges. Hätten die Umsteiger vorab von den rund 10 Minuten Verspätung bei Abfahrt gewusst, hätten sie sich den Sprint zum Gleis sparen können. Wobei mir das egal war: Wäre meine Anreise „nach Plan“ hätte ich im Zug gesessen, der zur selben Zeit – mutmaßlich – in Namedy parkte.

Kurz nach Fahrtbeginn kam ein freundlicher Service-Mitarbeiter, der mir einen großen Humpen Kaffee für 3,60 € anbot, bei dem das Preis-Leistungsverhältnis „unerwartet O.K.“ war. Es blieb nur noch die tatsächliche Ankunft offen. Offiziell sollte der „ICE 1157“ um 16:25 Uhr im Bahnhof Gesundbrunnen eintreffen. Doch in Dortmund standen wir das erste Mal, wohin wir aufgrund eines Böschungsbrands auf der Strecke umgeleitet wurden. Die Ansage ließ grob erahnen, dass die geplante Ankunftszeit gerissen würde: »Aktuell werden deshalb alle Züge nach Berlin umgeleitet.«. Doch hier funktionierte die Klima-Anlage ebenfalls, lecker Kaffee vor mir, wir rollten wieder – was sollte noch passieren?

Nach einigen weiteren, gefühlt immer längeren Zwischenstopps, konkretisierte sich, „was noch passieren kann“. Die Ankunftszeit schob sich kontinuierlich weiter nach hinten. Als bei Gesundbrunnen das unscheinbare »✗ Halt entfällt« eingeblendet und Berlin Hauptbahnhof (tief) zur Endstation wurde, war ich „leicht angefressen“.

Auf dem Weg nach vorn, für einen „flotten Gleiswechsel“ zu einem Regionalexpress für die Weiterfahrt zum Gesundbrunnen, kam ich beim Schaffner vorbei. Er zückte seine Stempelzange, bestätigte mir die Verspätung und frage, ob er mir noch das Formular für die Rückerstattung geben solle. Wie genervt er wohl war und dennoch Service-bewusst blieb? Mir half dieser Gedanke überraschenderweise.

Ankunft war statt 16:25 Uhr um 17:58 Uhr in Gesundbrunnen.

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Fazit

Klar. Die Verspätungen, das „mitdenken müssen“, die sportlichen „Gleiswechsel“, in einem Zug die Sauberkeit (die anderen drei Züge waren diesbezüglich unauffällig): „Früher“ klappte das bei der Bahn mal besser. Allerdings fuhren „früher“ – zumindest meines Wissens – keine Züge trotz Verspätung unter 10 Stunden von Berlin nach Mainz oder umgekehrt. „Wenn's nach Plan liefe“, sogar deutlich schneller. Bei vorausschauender Planung zu einem Preis, der andere Fortbewegungsmittel für die Strecke schlägt. Unabhängig von stehend oder fahrend ist Zug ein „no brainer“ – am Lenkrad wäre zeitgleiches Verfassen eines Blogbeitrags jedenfalls undenkbar, der Halsumfang bei stop and go im Auto signifikant größer. Im Gegensatz zu anderen Verkehrsmitteln hat die Bahn hinreichend „Substanz“, die selbst bei einzelnen Totalausfällen einen „Plan B“ eröffnen. Abgesehen von Unwettern, bei denen „alles steht“. Je nach Häufigkeit solcher Ereignisse in der Zukunft … – doch das ist ein anderes Thema.

Adhoc ist der Mehrpreis darstellbar. Für Hin- und Rückfahrt kostete das Ticket zwar rund viermal mehr als die Fahrt mit Flixtrain – also im Vergleich (einfache Strecke hin) das Doppelte. Doch statt „Holzklasse ohne Reservierung“ gab es dafür „Komfort-Klasse mit Platzreservierung“. Was der frühzeitigen Suche nach den günstigsten Verbindungen geschuldet war. Erst am Hinreisetag gebucht, hätte bereits das Teilstück Berlin-Frankfurt in der zweiten Klasse fast das Gleiche gekostet, wie das Ticket „ganze Strecke hin und zurück“. Bei Flixtrain wäre es ähnlich, potenziell etwas günstiger. Allerdings: Würde der heute überhaupt fahren? Der einzige am Rückreisetag angezeigte, allerdings „andersrum“, wurde ohne Angabe von Gründen gestrichen. Keine Erläuterung, ob ein erworbenes Ticket gültig oder der Käufer auf den Kosten sitzen bleibt.

Hier punktet „Die Bahn“ mit solider, täglicher Taktrate und einem integrierten Backup: Wird der Anschluss verpasst, kann mit dem nächstbesten Zug und dem vorhandenen Ticket weitergereist werden. Das Bahnticket ist gleichzeitig eine Art „Ankunftsversicherung“.

Dennoch wird für die nächste Reise wieder Flixtrain in den Fokus rücken. Für einen kleinen Aufpreis lassen sich dort „Comfort-Plätze“ buchen. Die sollen mehr Beinfreiheit haben. Ob das reicht, ist zumindest einen Versuch wert.